PayPal, der US-amerikanische Bezahldienst, der vor allem für Online-Zahlungen bekannt ist, wagt einen großen Schritt in den stationären Handel. Ab Sommer 2025 können Kunden in Deutschland mit der PayPal-App kontaktlos an Ladenkassen bezahlen – und das weltweit als erstes Land. Dieser Schritt wird durch den Digital Markets Act (DMA) der EU ermöglicht, der Apple dazu zwingt, die NFC-Schnittstelle des iPhones für Drittanbieter zu öffnen. Was bedeutet das für Verbraucher, Händler und die Konkurrenz wie Apple Pay? Unser Überblick klärt auf.
PayPal an der Ladenkasse: So funktioniert’s
Mit einem Update der PayPal-App, das in den kommenden Wochen erscheinen soll, wird kontaktloses Bezahlen an Kassen in Supermärkten, Tankstellen oder anderen Geschäften möglich. Nutzer benötigen die neueste Version der App auf ihrem iPhone oder Android-Smartphone. Über die Tap-to-Pay-Funktion wird das entsperrte Smartphone an ein Bezahlterminal gehalten, das kontaktlose Mastercard-Zahlungen akzeptiert. Die App bietet zudem eine Übersicht über alle Online- und Offline-Transaktionen, was die Ausgabenkontrolle erleichtert.
Ein besonderes Feature ist die Ratenzahlung To Go. Kunden können Einkäufe in drei, sechs, zwölf oder 24 Monatsraten aufteilen, wobei Zinsen anfallen. Die Antragstellung erfolgt direkt in der App. PayPal führt außerdem ein Cashback-System ein, bei dem Nutzer Prämien für bestimmte Einkäufe erhalten können, allerdings nur für kontaktlose Zahlungen mit der App. Details zu Partnern und Rabatten sollen später folgen.
Warum Deutschland?
Deutschland ist für PayPal ein strategisch wichtiger Markt. Laut dem EHI Retail Institute macht PayPal 28 Prozent der Online-Zahlungen in Deutschland aus, mehr als jeder andere Bezahldienst. Mit rund 35 Millionen aktiven Konten – davon etwa 32 Millionen Privatkunden – hat PayPal hier eine starke Nutzerbasis. Die hohe Akzeptanz im E-Commerce macht Deutschland zum idealen Testmarkt für die neue Funktion. PayPal will seine Marktführerschaft im Online-Bereich nutzen, um auch im stationären Handel Fuß zu fassen und Kunden enger an die Plattform zu binden.
Der Digital Markets Act als Türöffner
Ein Schlüsselfaktor für PayPals Vorstoß ist der Digital Markets Act (DMA), der 2024 in Kraft trat. Dieses EU-Gesetz zielt darauf ab, die Marktmacht großer Tech-Konzerne wie Apple einzudämmen. Bisher hatte Apple die NFC-Schnittstelle des iPhones exklusiv für Apple Pay und die Wallet-App reserviert, wodurch Drittanbieter wie PayPal außen vor blieben. Der DMA zwingt Apple, diese Schnittstelle für alternative Anbieter zu öffnen, was PayPal nun ausnutzt. Auf Android-Geräten gab es solche Einschränkungen nie, weshalb dort bereits verschiedene Bezahl-Apps konkurrieren.
PayPal ist nicht allein: Auch die norwegische Bezahl-App Vipps und die deutschen Volks- und Raiffeisenbanken planen, die NFC-Freiheit auf dem iPhone zu nutzen, haben ihre Lösungen aber noch nicht veröffentlicht. Die Öffnung der NFC-Schnittstelle markiert einen Wendepunkt für den Wettbewerb im mobilen Bezahlen, da iPhone-Nutzer nun mehr Auswahl haben.
Konkurrenz für Apple Pay und Google Pay
Mit der neuen Funktion tritt PayPal in direkten Wettbewerb mit Apple Pay und Google Pay. Beide Dienste dominieren den Markt für kontaktloses Bezahlen, nicht zuletzt durch ihre vorinstallierten Apps auf iPhones und Android-Geräten. PayPal setzt auf Alleinstellungsmerkmale wie die Ratenzahlungsoption und das Cashback-Programm, um sich abzuheben. Für Verbraucher ohne Kreditkarte – eine Voraussetzung für Apple Pay und Google Pay – könnte PayPal eine attraktive Alternative sein, da Zahlungen direkt über das PayPal-Konto abgewickelt werden.
Allerdings steht PayPal vor Herausforderungen. Nicht alle Kassen akzeptieren Mastercard, was die Nutzung einschränken könnte. Zudem können Funktionen wie das Speichern von ÖPNV-Tickets oder Flugtickets, die bei Apple Wallet möglich sind, in der PayPal-App fehlen. Nutzer könnten daher mehrere Apps parallel verwenden müssen, was die Benutzerfreundlichkeit beeinträchtigen könnte.
Chancen und Risiken für Verbraucher
Für Verbraucher bietet PayPals neue Funktion mehr Flexibilität beim Bezahlen. Die Möglichkeit, Einkäufe in Raten zu zahlen, kann besonders bei größeren Anschaffungen attraktiv sein. Allerdings warnen Verbraucherschützer vor den hohen Zinsen, die bei der Ratenzahlung anfallen können. Experten empfehlen, die Konditionen genau zu prüfen, um Überschuldung zu vermeiden.
Händler profitieren von PayPals Eingriff in den Markt, da sie bei jeder Transaktion einen kleinen Umsatzanteil an den Bezahldienst zahlen. Angesichts eines jährlichen Umsatzes von über 495 Milliarden Euro im deutschen Einzelhandel ist selbst ein kleiner Anteil lukrativ. Gleichzeitig könnte der verstärkte Wettbewerb die Transaktionsgebühren langfristig senken.
Fazit
PayPals Vorstoß an die Ladenkasse ist ein strategischer Schachzug, um die starke Position im Online-Handel auf den stationären Handel zu übertragen. Deutschland dient als Testmarkt, gestützt durch den Digital Markets Act, der Apple zwingt, seine NFC-Schnittstelle zu öffnen. Mit Features wie Ratenzahlung und Cashback will PayPal Apple Pay und Google Pay herausfordern. Für Verbraucher eröffnen sich neue Möglichkeiten, doch die Zinsen bei Ratenzahlungen erfordern Vorsicht. Der Wettbewerb im mobilen Bezahlen wird durch PayPals Einstieg deutlich belebt – ein Gewinn für die Wahlfreiheit der Kunden.
Quellen: EHI Retail Institute, PayPal-Unternehmensmitteilung, EU-Digital Markets Act, diverse Medienberichte